Deutschland

26.09.2014: Vehement verteidigte der SPD- Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in der gestrigen Bundestags-Debatte die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Den KritikerInnen entgegnete er, erstens habe er längst die Bedenken gegen die Schiedsgerichte bei der EU-Kommission vorgetragen. Und zweitens: "Nichts ist unterschrieben. Nicht einmal das kanadische Abkommen. Wir werden die Verhandlungen mit maximaler Transparenz führen". Massiv griff er die Linksfraktion an, der er „Nationalismus und Provinzialismus“ und Nähe zur AfD vorwarf sowie Angehörige "einer wirklichen Jobkillerpartei" zu sein.

Gabriel reagierte mit diesen Angriffen auf einen Antrag der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das Ergebnis der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Kanada (CETA) zurückzuweisen und sich eindeutig gegen Investitionsschutzabkommen auszusprechen. Gabriel: „Sie fordern uns mit Ihrem Antrag dazu auf, etwas zurückzuweisen – das haben wir schon getan. Dieser Antrag ist erledigt – durch Handeln der Bundesregierung.

Die grüne Abgeordnete Franziska Brantner – bis vor der letzten Wahl noch als Abgeordnete im EU-Parlament – warf Gabriel ein doppeltes Spiel vor, in dem die Bundesregierung in Brüssel für Schiedsgerichte sei und die Verhandlungen einfach weiter laufen ließ, in Berlin aber den Kämpfer gegen Investitionsschutzabkommen spiele. Dies berichtete auch die »Tagesschau«. Aus einem internen Papier des Wirtschaftsministeriums geht hervor, dass sich bei einer Sitzung des Handelspolitischen Ausschusses in Brüssel der Vertreter Deutschlands bei der Kommission für das "positive" Ergebnis der Verhandlungen mit Kanada bedankt hat.

Gabriel: „CETA ist ein gutes Abkommen"

Gabriel warnte vor einem Abbruch der Gespräche: „CETA ist ein gutes Abkommen. Es wäre falsch, es jetzt grundsätzlich in Frage zu stellen.“ Über den kritischen Punkt des Investorenschutzes müsse mit der EU und Kanada weiter verhandelt werden; dieser Punkt sei aber „zu unwichtig“, um CETA deswegen „in den Orkus zu werfen“. Die Bundesregierung werde versuchen, in der EU Mehrheiten für ihre Position zu finden, um noch Korrekturen durchzusetzen.

Allerdings musste er selbst einräumen, dass auch die Bundesregierung der EU-Kommission das Verhandlungsmandat für den Investorenschutz bei CETA übertragen hat. Unbeantwortet ließ er die Frage, inwieweit die Bundesregierung auf den bereits ausgehandelten CETA-Vertrag und auf die Verhandlungen zu TTIP noch Einfluss nehmen kann. Denn die noch amtierende EU-Kommission will von Nachverhandlungen absolut nichts wissen. „Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot“, sagte Handelskommissar Karel De Gucht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«.

Außerdem ist zwischen Brüssel und Berlin immer noch umstritten, ob der rund 1.500 Seiten starke Vertrag noch die Zustimmung des Bundestags und der übrigen 27 nationalen Parlamente braucht oder ob nicht. Auf ihrer Internetseite bringt die EU-Kommission ihre Auffassung zum Ausdruck: “Zu einem späteren Zeitpunkt bedarf dieses Abkommen der Zustimmung des Europäischen Rats und des Europäischen Parlaments.“

Investitionsschutzklausel: "Deutschland kann damit leben"

Während der SPD-Vorsitzende im Bundestag den Kämpfer gegen die Investitionsschutzklausel gab, hatte seine Staatsekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries, am Montag auf einer Pressekonferenz erklärt, die Bundesregierung werde sich bei CETA nicht mehr querlegen, wenn es um den Investorenschutz gehe. "Das ist etwas, mit dem Deutschland leben kann", sagte sie. Sie verwies auf eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie, der zufolge die Investitionsschutzvorschriften im CETA-Abkommen unbedenklich sind. Der Studie zufolge räumen sie den Konzernen nicht mehr Rechte ein, als sie nach deutschem Gesetz ohnehin schon haben.

Als Autor dieser Studie wird ein Dr. Stephan Schill vom Max-Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht in Heidelberg genannt. Nicht erwähnt wird, dass genau dieser Stephan Schill im Dezember 2013 von der Bundesrepublik Deutschland auf die Schlichterliste der Internationalen Schiedsstelle für Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes) gesetzt wurde.

Diese Schlichter kommen zum Einsatz bei Klagen von Konzernen gegen Staaten, wenn diese ihre Gewinne durch staatliches Handeln bedroht sehen. Jeweils drei Juristen bilden das Schiedsgericht, das im Geheimen tagt und dessen Urteile endgültig und nicht anfechtbar. Dieses Verfahren ist in zahlreichen Freihandelsabkommen mit Entwicklungsländern und der »Energiecharta« vereinbart.  Beispielsweise klagt etwa der Zigarettenhersteller Philip Morris gegen die Anti-Raucher-Gesetzgebung Uruguays. Der Öl- und Gaskonzern Lone Pine Resources verlangte eine Entschädigung von 250 Millionen US-Dollar von Kanada, weil die Provinz Quebec ein Fracking-Moratorium verhängte und einzelne Bohrlizenzen widerrief. Die Bundesrepublik wird vom Energieriesen Vattenfall auf fast 4 Mrd. Euro Entschädigung verklagt, weil dem Konzern durch den Atomausstieg Gewinne entgehen. Für die Schlichter sind diese Verfahren ein einträgliches Geschäft.

CETA – ein wirklich »umfassendes« Abkommen

Argumente gegen CETA, das als Blaupause und Türöffner für TTIP gilt, lieferte kurz vor der Bundestagsdebatte das Canadian Center for Policy Alternatives (CCPA) mit einer Analyse des endgültigen Vertragstextes. Die Experten warnen vor den Folgen von Ceta. Insbesondere kritisieren sie die geplante Investitionsschutzklausel, die Unternehmen ermöglichen soll, bei Wettbewerbsnachteilen gegen Regierungen zu klagen. Weitere Kritikpunkte sind aufgeweichte Patentregeln, die Pharmafirmen erlauben, ihre Medikamente später als bisher für Generika-Hersteller freizugeben. "Ceta ist ein durchschlagendes Grundsatzpapier, das viele Punkte betrifft, die nur vage mit Handel zu tun haben", schreiben die Autoren. Betroffen seien etwa Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums, zur Reisefreiheit von ArbeitnehmerInnen und regionale Ernährungspolitik. Auch eine Privatisierung der Wasserversorgung soll trotz Nachbesserungen im Vertrag weiterhin möglich sein.

Die Schutzklausel räumt Konzernen weitreichende Klageprivilegien ein, um vor privaten Schiedsgerichten auf Schadensersatz zu klagen. Brisant an CETA ist unter anderem, dass es ein eigenes Kapitel “Besteuerung” ("Taxation”, Seite 466) gibt. In diesem Kapitel wird geregelt, unter welchen Umständen der Vertragsstaat steuerliche Maßnahmen ergreifen darf. Und um diese Bestimmung völlig wasserdicht zu machen, gibt CETA jedem ausländischen Investor auch in diesem Punkt ein Klagerecht gegen den Gaststaat. Er kann geltend machen, dass eine bestimmte steuerliche Maßnahme ihn besonders hart trifft und damit gegen die Investitionsschutzbestimmungen in CETA verstößt.

Da in dem Vertrag selbst Staatsanleihen als Investitionen klassifiziert werden und so den vollen Schutz vor »Enteignung und Diskriminierung« genießen würden, könnten die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten bei Bankabwicklungen oder Schuldenschnitten haftbar gemacht werden. Bereits jetzt werden krisengeschüttelte Euro-Ländern von ausländischen Investoren attackiert. Allein gegen Zypern und Spanien wurden vor internationalen Schiedsgerichten Entschädigungsklagen über mehr als 1,7 Milliarden Euro wegen entgangener Gewinne durch Bankabwicklungen und Schuldenschnitt eingereicht. In vielen Fällen handelt von Investmentfonds, die erst während der Krise in die jeweiligen Märkte eingestiegen sind, die Papiere zu einem Spottpreis erworben haben und jetzt entschädigt werden wollen.

Nur „verhältnismäßige“ Verbesserungen zulässig

In der schriftlichen Stellungnahme auf eine Anfrage der Linksfraktion, wie verhindert wird, „dass künftige Verbesserungen im Bereich des Arbeitsschutzes, des Kündigungsschutzes, des Mutterschutzes sowie des Schutzes bei Krankheit und auch die Verbesserung der sozialen und allgemeinen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte durch die potentielle Forderung nach Investitionsschutz und einer Klage vor einem Schiedsgericht verhindert bzw. unterlassen werden?“, antwortet die Bundesregierung: „Die Bundesregierung sieht allgemein keine Notwendigkeit für die Einbeziehung von Regelungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren. Die aufgeführten potentiellen Verbesserungen in den genannten Bereichen stellten im Übrigen, … sofern sie verhältnismäßig sind, keine Verletzungen von Investitionsschutzkriterien dar.“ (Drucksache 18/432)

SPD-Konvent eine Show-Veranstaltung von Sigmar Gabriel

Vor der Bundestagsdebatte hatte der Fraktionsvize der Linkspartei, Klaus Ernst, vermutet, „dass die SPD-Fraktion gegen die Beschlüsse ihres eigenen Parteikonvents stimmt und der Konvent selbst nur eine Show-Veranstaltung von Sigmar Gabriel war.“ Er sollte recht behalten.

Anträge der Linksfraktion und der Grünen gegen CETA und TTIP, die jene »roten Linien« aufgriffen, die von der SPD zuvor auf einem kleinen Parteitag bei TTIP aufgestellt worden waren, lehnte der Bundestag mit großer schwarz-roter Koalitionsmehrheit ab.

Die Grünen hatten beantragt:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

  1. sich unverzüglich im Rat der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass in TTIP kein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten aufgenommen wird, beziehungsweise ein Abkommen, das einen solchen Streitbeilegungsmechanismus vorsieht, abzulehnen;
  2. sich unverzüglich im Rat der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass in CETA kein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten aufgenommen wird, beziehungsweise ein Abkommen, das einen solchen Streitbeilegungsmechanismus vorsieht, abzulehnen“

In der namentlichen Abstimmung stimmten aus den Reihen der Koalitionsfraktionen lediglich die SPD-Abgeordneten Marco Bülow und Claudia Tausend mit der Opposition, die Unionspolitiker Peter Gauweiler und Josef Göppel enthielten sich.


DIE LINKE stellte zwei Anträge:

Der Bundestag wolle beschließen:
I.
Der Deutsche Bundestag stellt fest:

  • Die Verhandlungsdelegationen von EU - Handelskommissar Karel de Gucht und dem kanadischen Handelsminister Ed Fast haben ihre weitgehend im Geheimen verfolgten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) abgeschlossen.
  • Das Verhandlungsergebnis widerspricht den vom Deutschen Gewerkschaftsbund formulierten und vom SPD-Parteikonvent am 20. September 2014 bekräftigten Mindestbedingungen für die mit den USA (TTIP) und mit Kanada (CETA) geplanten Freihandelsabkommen.

II.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

  • das CETA-Verhandlungsergebnis zurückzuweisen und darauf hinzuwirken,
  • dass die Verhandlungsmandate der EU-Kommission für TTIP und CETA im Sinne der Mindestbedingungen geändert werden.“

In einem zweiten Antrag (Anlage) griff sie die Beschlüsse des SPD-Konvents auf und beantragte "die genannten Mindestbedingungen als verbindliche und das Regierungshandeln bestimmende Position zu übernehmen".

Die SPD-Fraktion stimmt geschlossen gegen ihre eigenen, vom SPD-Parteikonvent am 20. September 2014 bekräftigten Mindestbedingungen; lediglich Bülow enthielt sich. (Abstimmung)

Die Linkspartei betonte, mit dem Nein-Votum fast aller SPD-Abgeordneten sei der SPD-Konvent  als »Luftnummer« enttarnt worden.

Gauck: „gut für Europa“ - gut für die Welt

Während in der Bevölkerung die Ablehnung gegen CETA und TTIP wächst, ist zumindest Bundespräsident Gauck von den Freihandelsverträgen überzeugt. Während seine Besuchs in Ottawa äußerte er: „Ich bin persönlich überzeugt davon, dass CETA gut für Europa und gut für Kanada ist. Ich habe mir das Thema ausführlich angesehen, auch das Kapitel über den Investorenschutz. Deutschland kann den Vertrag mittragen.“

Er liegt damit auf einer Linie mit der Bundesregierung, die in ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion schreibt: „Ein transatlantisches Handelsabkommen eröffnet die Chance, dass mit Europa und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen. Die normsetzende Kraft des Abkommens kann zum Hebel einer politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung werden.“ Und die Welt gestalten, das wollte der Bundespräsident schon immer.

txt: lm

siehe auch

 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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