Deutschland

alt18.06.2014: Die städtischen Kliniken am Tropf, kranke Krankenhäuser, so lauteten Anfang des Jahres die Schlagzeilen der Münchner Medien. Im Herbst 2013 wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass die städtischen Kliniken mit mehr als  40 Millionen Euro verschuldet sind, die Geschäftsführung die Probleme nicht in den Griff bekommt und Oberbürgermeister Christian Ude die Geschäftsführung übernommen hat. Nach diesem spektakulären Schritt wurde die Boston Consulting Group (BCG) mit einem Sanierungsplan beauftragt.

Die Prüfung erfolgte unter der Prämisse, ob ein privater Investor noch in die teilweise veralteten und jahrelang  vernachlässigten Klinikgebäude investieren würde. Denn nur wenn dem so wäre, wird fälschlicherweise behauptet, dürfte die Stadt die verschuldeten Krankenhäuser weiter bezuschussen. 

Im Februar 2014 legte die BCG dann ein Gutachten vor, das erhebliche Einschnitte in den vier städtischen Krankenhäusern vorsieht. Ausgehend von einem angeblichen Überangebot von 40 Kliniken in der Stadt, sollen Abteilungen zusammengelegt werden, die Bettenzahl verkleinert und Stellen gekürzt werden. Die Kliniken Schwabing und Harlaching wären von Abteilungsschließungen und Personalabbau besonders hart betroffen, Neuperlach und vor allem Bogenhausen würden erweitert. Zwar wird betont, dass in allen Krankenhäusern die Notfallversorgung aufrechterhalten wird, wichtig wäre aber für die Bevölkerung, dass alle Kliniken die Maximalversorgung aufrechterhalten. Denn bei einer wachsenden Bevölkerung kann von einer mangelnden Auslastung der Kliniken nicht die Rede sein. Wenn bisher Abteilungen vorübergehend geschlossen wurden, dann lag das auch am fehlenden Pflegepersonal.

Gesundheit, ein Mordsgeschäft
Der Leiter des Sanierungsprojekts der BCG Dr. Axel Fischer ist inzwischen Vorsitzender der Geschäftsführung Städtisches Klinikum München GmbH. Neben seiner medizinischen Ausbildung hat er einen Abschluss der Universität St. Gallen als Executive Master of Business Administration und von 2011 bis 2012 lehrte er als Gastdozent am Institute for Strategy and Competetiveness an der Harvard Business School in Boston. Diese Besetzung lässt vermuten, dass die Stadt München mit dem Stadtratsbeschluss vom 17. März 2004,  die am 1. Januar 2005 erfolgte Unternehmensgründung Städtisches Klinikum München GmbH, dem Zusammenschluss städtischer Krankenhäuser und verschiedener Einrichtungen (Blutspendedienst,  Medizet, Akademie Städtisches Klinikum München) schon den Einstieg eines privaten Investors erwog.  Das Unternehmen, das über 3.500 Betten, 260 tagesklinische Plätze und 8.500 Mitarbeiter verfügt und rund ein Drittel aller Patienten im Großraum München behandelt, ist nach eigenen Aussagen der größte Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen im süddeutschen Raum und damit sicherlich ein Anreiz für Profiteure.

Der Plan sieht auch eine Stellenkürzung vor. Von den 8.500 Stellen sollen 1.500 bis 2.000 gestrichen werden, die meisten davon im Pflegebereich. Dass dies keinen Aufschrei hervorruft, liegt möglicherweise wieder einmal daran, dass es sich überwiegend um Frauenarbeitsplätze handelt und dass die Wertschätzung für eine gute Pflege unterschätzt wird.

Die Falle der Verschuldung
Das Sanierungskonzept der BCG sei die "einzige und wahrscheinlich letzte Möglichkeit", das kommunale Unternehmen zu retten. Ansonsten sei die Insolvenz spätestens im Frühjahr 2016 unausweichlich, behaupten Stadtkämmerer und Gesundheitsreferent. Aber nicht nur die Münchner Krankenhäuser brechen unter den Schulden fast zusammen. Die Hälfte der bayerischen Kliniken in kommunaler Hand sind verschuldet. Warum wird hier nicht nach der Ursache gefragt? Soll der Mythos, dass Kommunen nicht haushalten können sondern nur Private, verfestigt werden? Es ist doch so, dass der Gesetzgeber seit den 90iger Jahren mit seinem neoliberalen Kurs den Weg zur Verschuldung der Kommunen geebnet hat.

Nicht nur, dass die öffentlichen Zuschüsse für die Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs abnahmen, anstatt zuzunehmen, ist es vor allen Dingen die 2004 durchgeführte Krankenhausreform mit der Einführung von Fallpauschalen, sogenannten DRG (diagnosed related groups), die es öffentlichen Krankenhäusern, die eine umfassende Behandlung ermöglichen und Notfälle behandeln müssen, unmöglich machen, kostendeckend zu arbeiten.

Private Krankenhäuser spezialisieren sich auf Hüft- oder Kniegelenksoperationen. Dies gewährleistet in der Regel eine kurze Verweildauer der Patienten im Krankenhaus.  Kommt es jedoch zu Komplikationen, wird der Patient in ein öffentliches Krankenhaus verlegt, weil Privatkliniken für eine Weiterbehandlung nicht genügend ausgestattet sind.

Die Abrechnung nach Fallpauschalen führte dazu, dass in den Krankenhäusern ein EDV-Programm benützt wird, wo nach dem Ampelsystem die Verweildauer in einem bestimmten Krankheitsfall vorgegeben ist. Wenn die obere Verweildauer erreicht ist, die „Ampel“ rot aufleuchtet und somit der weitere Krankenhausaufenthalt nicht mehr bezahlt wird, kommt es schon mal vor, dass ein Patient „blutig“ entlassen wird.

Es liegt also auf der Hand, dass diese DRG`s die Defizite der öffentlichen Krankenhäuser mit verursachen. Sie sind Teil einer breit angelegten Strategie, mit der das öffentliche Gesundheitswesen ausgeblutet und der Privatisierung der Weg bereitet wird. Parallel positionieren sich finanzkräftige internationale "Gesundheits"konzerne.

Gesundheit im Wettbewerb
Ein weiterer Mythos sind die EU-Wettbewerbsregeln. Angeblich dürfen die Kommunen ihre Kliniken nicht unbegrenzt bezuschussen, weil sie sonst gegen EU-Richtlinien verstoßen. Aber obwohl die EU-Kommission bei jeder Gelegenheit die privaten Profitunternehmen bevorzugt, sah sie sich bisher auf Grund bürgerschaftlichen Drucks immer noch gezwungen, die öffentlichen Krankenhausträger von diesem "Verbot der Wettbewerbsverzerrung durch öffentliche Beihilfen" gemäß § 107 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) "freizustellen", wenn die Kommunen damit die notwendige Daseinsvorsorge gewährleisten, die medizinische Grundversorgung "sicherstellen" und dabei auch die finanziell "unattraktiven Leistungsbereiche"(Notfallversorgung, Katastrophenhilfe, Langdauerpatienten u.a.) übernehmen und auch langfristig keinen "unangemessenen Gewinn" aus ihren bezuschußten Unternehmen ziehen. So schon ein Grundsatzurteil des Europäichen Gerichtshof vom 24.7.2003 - C-280/08 "Altmark.Trans Kliniken" - und in der Folge die Freistellungsentscheidung der Kommission vom 2811.2005 (2005/842/EG), die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission vom 25.8.2010 - CP 6/2003 Deutschland - . Dem hat sich jetzt das Landgericht Tübingen am 23.12.2013 - 5 O 72/13 - zugunsten der Landkreisklniken Calw und Nagold angeschlossen. Das ist zwar noch nicht rechtskräftig und auch die EU-Kommission hat sich die endgültige Grundsatzentscheidung noch vorbehalten, dennoch kann durch Finanzzuschüsse an ein kommunales Krankenhaus nicht gegen die EU-Wettbewerbsregel verstoßen werden.

Die Stadträte der offenen Liste DIE LINKE stellen die Frage, warum der neue Oberbürgermeister Reiter bei seiner Rede am 1.Mai auf dem Marienplatz nochmals auf das EU-Wettbewerbsrecht hingewiesen und in einem SZ Interview vom 7./8./9. Juni 2014 wiederholt hat, die EU würde darüber entscheiden wieviel Beihilfe zugeschossen werden kann? Kennt er die Gesetze nicht oder hätte die Stadt München nichts gegen den Einstieg eines Investors?

Krankenhausschließungen und Bodenspekulation
Dazu kommt, dass nicht nur die Hautklinik in der Thalkirchner Straße, also beste Innenstadtlage, geschlossen wird, sondern auch die Uni-Kliniken in der Nussbaumstraße verlegt werden. Das lässt den Puls und den Blutdruck der Bodenspekulanten steigen. Dies könnte auch für die geplante radikale Verkleinerung des Schwabinger Klinikums gelten. Die über 100 Jahre alten Gebäude stehen unter Fassadenschutz, eignen sich aber sicher gut für die Einrichtung moderner Arztpraxen etc. in der Nähe des dann abgespeckten Krankenhauses.

Die Beschäftigten sollen bluten
Neben dem Abbau der Arbeitsplätze stehen auch Lohneinbußen, längere Arbeitszeiten und kürzerer Urlaub auf dem Sanierungsprogramm. Im Schnitt soll jede Beschäftigte/r 5.000 Euro im Jahr weniger verdienen. Klinik-Chef Axel Fischer schließt auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Noch bevor der Stadtrat am 9. Juli über den Sanierungsplan abstimmt und ihn höchstwahrscheinlich billigt, werden im Klinikum Schwabing Fakten geschaffen. In der Inneren Medizin wird beim Nachtdienst an Ärzten gespart, statt bisher drei sind nur noch zwei nachts im Dienst. Eine Infektionsstation wird zum 15.Juli geschlossen. Diese Entscheidungen wurden am Betriebsrat vorbei beschlossen.


Protest gegen das altAmputationsprogramm für die Krankenhäuser
Es krankt an allem. Die Sanierung der städtischen Krankenhäuser ist dringend notwendig, aber nicht so, wie sie die BCG es vorsieht. Die Krankenhäuser kommen uns nicht teuer zu stehen, sondern die Politik, die anstatt in kommunale Krankenhäuser zu investieren, lieber Banken rettet und auf höhere Steuereinnahmen aus Erbschaft, Vermögens und Gewinn verzichtet. Ein erster Schritt zur Sanierung ist eine echte Krankenhausreform mit der Abschaffung der diagnosebezogenen Gruppen (DRG) und einer Aufstockung der Mittel zur Sanierung der Gebäude, für die das Land zuständig ist.

Gegen den BCG-Sanierungsplan gibt es inzwischen von verschiedenen Seiten Protest. In Harlaching hat sich eine „Initiative Klinikum Harlaching e.V.“ gegründet  und mit einer „Petition zur Sicherstellung der medizinischen Grund- und Notfallversorgung der Münchner Bevölkerung“ an den Oberbürgermeister und den Stadtrat gerichtet. ver.di fordert  u.a. den Abschluss eines „Schutztarifvertrages“ und den weiteren Stopp nach Fremdvergaben, wie z.B. im Juli 2013 die Auslagerung der Zentralwäscherei.

txt: ulep
foto: SnaPsi

 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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