Analysen

Ungarn Jobbik 2013 Pesterlloyd08.02.2014:  Zu den neo-faschistischen Gruppen in Europa mit erheblichem Masseneinfluss gehört neben denen der Ukraine und der 'Goldenen Morgenröte' in Griechenland auch die ungarische Partei 'Jobbik'. Derzeit trommeln ihre Kräfte für einen weiteren Einfluss auf die politische Macht in Ungarn, denn am 6. April wird es Neuwahlen des Parlaments geben. Aus diesem Anlass analysierte die deutschsprachige ungarische Zeitung 'Pesterlloyd' Politik und Wahlaussichten der Jobbik:

Auf einem Parteikongress Mitte Januar erklärte sich die neonazistische Jobbik vor 2.000 Anhängern in Budapest "bereit, die Macht zu übernehmen." Dabei will die mit rund 15% drittstärkste politische Kraft in Land und Parlament, nicht nur die derzeitige Regierung, sondern die "gesamte Periode seit dem Regimewechsel" überwinden und "Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen" so Parteichef Gábor Vona vor den geladenen Funktionären und Mitgliedern.

Das Angebot an die Wähler, die er - so sie Fidesz oder "Sozialisten" wählten - als "Masochisten" bezeichnete, bestehe in einer klaren Linie: Das Jobbik-Programm beruhe auf dem Prinzip: "Gesagt, getan". Die "Sicherung des Lebensunterhalts" für alle "Ungarn" (lies: Magyaren) "Sicherheit und Ordnung" stünden im Mittelpunkt.

Im Wahlprogramm zählen als konkrete Maßnahmen u.a. dazu: die Wiedereinführung der Todesstrafe, die (Wieder-)Etablierung einer Gendarmerie wie in der Horthy-Zeit, die Umwandlung von Gefängnissen in Arbeitslager, chemische Zwangskastration nicht nur für Sexualstraftäter, sondern auch für Frauen, die "aus eigenem Verschulden nicht für ihre Nachkommenschaft sorgen können", staatliche Zwangseinweisungen in "Internate" (lies: Roma). Ökonomisch bietet man den Wählern eine Art "back to the roots"-Perspektive, d.h. die möglichst umfassende Abkoppelung vom globalen Geschehen, die "Rückbesinnung" auf eine natürliche, kleinteilige Landwirtschaft zur Selbstversorgung, ausgeschmückt mit neuen "strategischen Partnern" unter den östlichen Steppenvölkern etc. (s.a. Programmatik im Bericht über den Jobbik-Parteitag 2012).

Steckbrief

Jobbik "Bewegung für ein besseres Ungarn", gegr. 2002/3

Selbstdefinition: prinzipientreu, konservativ, radikal.patriotisch, christlich
tatsächliche Ausrichtung: neonazistisch, rassistisch, antisemitisch, homophob, antidemokratisch, antieuropäisch

Ergebnis bei den Wahlen 2010: 16,7%
Mandate 2010: 47 von 368 (13%)
letzte Umfrage: ca. 15%
PL-Prognose für die Wahl: 13%

Parteichef und Spitzenkandidat: Gábor Vona (35), Studium der Geschichte und Psychologie an der ELTE-Uni Budapest, änderte seinen slawischen Nachnamen Zázrivecz (Adoptivvater seines Vaters) in Vona (Geburtsname der Großmutter), arbeitete kurz als Lehrer an einer Pflichtschule, seit 2006 Jobbik-Vorsitzender und Parlamentsabgeordneter, 2007 Gründer der 2009 verbotenen, aber immer noch aktiven 'Magyar Gárda', verheiratet, ein Sohn.

Okkupations- und Fremdschuldthesen

Vorwürfe, seine Partei würde radikale Positionen besetzen, entgegnete Vona, dass nicht Jobbik radikal sei, sondern die Situation. Seine Partei wird in der kommenden Wochen zwei Referenden auf den Weg bringen, mit dem Ziel, legislativ verbindliche Volksabstimmungen herbeizuführen: eine zum "Schutz der ungarischen Erde", eine andere zur "Änderung des ungarischen EU-Beitrittsvertrages" (lies: EU-Austritt). In Vonas Rede kamen die üblichen Versatzstücke von Ungarn als dem "europäischen Palästina" zum Tragen, verbunden mit der Forderung nach einer "wirklichen" Unabhängigkeit Ungarns, die allerdings in den Grenzen von Trianon nicht erreichbar sei. Den "Verantwortlichen" für die Misere des Landes drohte Vona offen mit einer Art Volksgerichtshof, Ungarn jüdischer Herkunft oder Glaubens will man "registrieren".

Stabile Wählerbasis mit Luft nach oben

Die Demoskopen bescheinigen Jobbik eine seit vier Jahren ungefähr gleich bleibende Anhängerschaft, von rund 13-16% der zur Wahl entschlossenen Wahlberechtigten, woran auch der Abgang von einer handvoll Abgeordneter wegen persönlicher und machtpolitischer Streitigkeiten nichts anhaben konnte. Auch die Gründung einer noch radikaler auftretenden "Ungarischen Morgenröte" schlägt bisher nicht spürbar in Umfragen zu Buche. Das Potenzial der Partei wird jedoch, je nach aktueller Lage und evtl. Zuspitzungen auf 25-30% geschätzt. Bleiben anlassbezogene Radikalisierungen aus, könnte die bipolare Zuspitzung des Wahlkampfes Fidesz oder Links der Partei Stimmen kosten, weshalb wir schätzen, dass Jobbik sein Ergebnis von 2010 nicht mehr ganz erreichen wird.

Rechter Flankenschutz der Regierungspartei

Die Regierungspartei Fidesz versucht sich an einer Doppelstrategie und geht das "Phänomen" Jobbik mehr als wahltaktischen Faktor an, denn als gesellschaftliche Gefährdung, die aufgrund von verfehlter Politik entstanden ist. Während man verbal den gelebten Rassismus und Extremismus der Partei verdammt ("0-Toleranz-Politik), bedient man das Sentiment der Anhängerschaft durch konkrete und mentale Politik (Geschichtsrevisionismus, Law and Order-Maßnahmen, diverse "Kriege" gegen Finanzmarkt, "EU-Diktatur", revanchistische Lehrpläne und Schulveranstaltungen, Großungarnpolitik etc.) und lässt durch exekutive Schonung Ventile für den Volkszorn (Aufmärsche, Denkmale, Flaggenverbrennungen, Denkmalsschändungen etc.) zu. Als Höhepunkt dieser Entwicklung kann ein Gerichtsurteil gelten, dass es einem Journalisten verbot, Jobbik als rechtsextrem zu bezeichnen.

Immer wieder verwischen dabei die Grenzen zwischen den Denkrichtungen beider Parteien. Antisemtische, revisionistische und offen parlamentarismusfeindliche Politiker wie Parlamentspräsident und Fidesz-Wahlkampfleiter Kövér oder seine Epigonen in der Provinz sind in ihren Aussagen kaum noch von Jobbik-Demagogen unterscheidbar. Dabei geht es Fidesz in erster Linie nicht darum, Wählerschaften von Jobbik zu Fidesz zu ziehen, sondern vor allem, deren Überlaufen zur Linken zu verhindern. Jobbik verstand es bisher gut, die Regierung sachpolitisch und propagandistisch vor sich her zu treiben.

Einfluss in den letzten vier Jahren gestiegen

Doch auch der direkte gesellschaftliche Einfluss der (teils offen bekennenden) Neonazis hat in den vergangenen Jahren zugenommen, so stellt man mittlerweile in 12 Gemeinden bzw. kleinen Städten den Bürgermeister, die u.a. auch mit dem Innenministerium zusammen die Kommunalen Beschäftigungsprogramme durch- und umsetzen, was zu Auswüchsen von amtlichem Rassismus führte und führt. Jobbik-Sympathisanten mischen auch in verschiedenen Medien bis hinein in den öffentlich rechtlichen-Rundfunk mit, ein Verfassungsrichter wird in Jobbik-Nähe verortet, Regierungsmitglieder laden sich Garden zu öffentlichen Ehrungen ein, ein Minister zeichnet rechtsradikale Jorunalisten und Wissenschaftler aus, der braune Sumpf schwämmt, langsam, aber beständig durch Straßen und Amtsflure. Die von Jobbik-Chef gegründeten Garden marschieren in vielfältigster Ausstaffierung durch Stadt und Land, nach wie vor, unbehelligt, teilweise beklatscht ...

Das hat einen Grund: Die Jobbik-Grundideologie ist zum Teil deckungsgleich mit dem Regierungs-Mainstream, weil beide auf der menschenverachtenden, wenn auch immer noch mehrheitlich gelebten Grundphilosophie aufbauen, dass Menschen von Geburt an mit unterschiedlichen Rechten und Chancen ausgestattet sind, je nach ethnischer, religiöser und/oder sozialer Herkunft. Gleichzeitig wird das "Magyarentum" überhöht und mythisiert, greift sich eine völkische Blut-und-Boden-Ideologie Raum.

Während Fidesz daraus einen Ständestaat Hortyscher Prägung folgert, eine Art industrialiserten Feudalismus mit demokratischem Anschein kreiert, setzt Jobbik allerdings umstandslos auf eine reine Diktatur des verherrlichten weißen, "christlichen" Magyaren, einschließlich der Abschaffung von Bürger- und Grundrechten sowie der körperlichen Unterdrückung Andersdenkender und -seiender.

Die Wechselbeziehungen zwischen beiden Parteien belegen, dass es sich bei Jobbik eben nicht um ein Phänomen, sondern ein Produkt, eine Folge der Auswirkungen von verfehlter Politik handelt, die den Menschen das Lebensnotwendige, glaubhafte Perspektiven und die Wahrheit vorenthält. Jobbik entstand während der Regierungszeit der "sozial-liberalen" Regierungen, wurde aber durch die Demagogie und Radikalisierung Orbáns, die das Land in "wahre" und fremdgesteuerte, feindliche Ungarn splittet, erst groß.

Marsch durch die Institutionen

Eine Koalition von Fidesz mit Jobbik bei einem möglicherweise knappen Wahlausgang kann (aus internationalen Überlegungen heraus) als ausgeschlossen gelten, eine Duldung mit Hintertürabsprachen keineswegs. So wird befürchtet, dass Fidesz und Jobbik in wackeligen Direktwahlbezirken (wo ab diesem Jahr die relative Mehrheit genügt) ihre eigenen (oder einen) Kandidaten notfalls zu Gunsten eines 'Unabhängigen' zurückziehen könnten, um ihr Stimmpotential gegen die Mitte-Links-Opposition zu vereinen. Jobbik ist in der ungarischen Politik und Gesellschaft fest verankert und befindet sich auf dem Marsch durch die Institutionen. Das destruktive Potential dieser Bewegung kann sich unter den gegebenen Lebensumständen und unter den etablierten Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte gut entfalten ...

s.a. Pesterlloyd-Themenseite Wahlen in Ungarn  sowie  Ukrainische Faschisten ...

Quelle und CR: Pesterlloyd  (Foto:  Jobbiks 2. Vorsitzender und Chefideologe demonstriert die Position zur EU)

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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