Wirtschaft

schlecker nuernberg ballin P110074510.05.2013: Die Vermittlungsfachkräfte der Agentur für Arbeit sind selbstverständlich nicht für die Situation am Arbeitsmarkt, wohl aber für ihr eigenes Verhalten gegenüber Erwerbslosen und die Darstellung ihrer Erfolge in der Öffentlichkeit verantwortlich. So gesehen, kann die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht Nr. 7, April 2013) vorgelegte Analyse zur Vermittlung ehemaliger Schlecker-Beschäftigter als ein aufschlussreiches Dokument, aber ebenso als eine Untersuchung angesehen werden, welche die Tätigkeit der Arbeitsagentur nicht aus der Sicht der Erwerbslosen auch kritisch betrachtet, sondern offenbar die Behörde gerade vor solcher Bewertung abschotten soll.

Ausgangspunkt der Betrachtung des IAB ist die Entlassung von 27.000 Beschäftigten bei Schlecker im Zuge der Insolvenz vom Januar 2012, von denen sich 85 Prozent erwerbslos und arbeitsuchend meldeten. Die Erfolgsgeschichte des IAB: Bis März 2013 hat rund die Hälfte der Schlecker-Arbeitslosen wieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit aufgenommen. Nicht beantwortet wird die sicher interessante, aber wohl aus guten Gründen erst gar nicht gestellte Frage: Welchen Vermittlungsanteil hat daran die Arbeitsagentur und welchen die Eigeninitiative der Arbeitslosen? Wie wenig das statistische Ergebnis über die Qualität der Vermittlung, wie viel es aber über die Gleichgültigkeit oder die beschränkte soziale Verantwortung des behördlichen Engagements bei der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit aussagt, das wird aus dem Eingeständnis ersichtlich: "Bislang können allerdings keine Aussagen zu den Arbeitsbedingungen sowie zur Nachhaltigkeit dieser Erwerbstätigkeiten getroffen werden".

Stattdessen ergötzt sich die Erhebung daran, den ehemaligen Schlecker-Beschäftigten den Schwarzen Peter zuzuschieben. Besondere Schwierigkeiten bei der Vermittlung seien aufgrund .der hohen Zahl an ungelernten Kräften und wegen den teils fehlenden praktischen Kenntnissen und Fähigkeiten der Schlecker-Arbeitslosen aufgetreten. So bezeichneten die offenbar nicht branchenkundigen Vermittler etwa die technische Ausstattung bei Schlecker als veraltet. Dies betreffe insbesondere die Kassen- und EDV-Systeme in den Verkaufsstätten. Hätte sich einer dieser Fachkräfte einmal aus dem Büro in eine Schlecker-Filiale begeben, so wäre ihr sicher nicht entgangen, dass die Beschäftigten dort an Scannerkassen arbeiteten, mit denen sie EC-Karten-Zahlungen und Handy-Karten sowie Geschenkgutschein-Verkäufe problemlos abwickelten.

Und würde bei der Arbeitsagentur in den Bewerbungsunterlagen der Erwerbslosen nicht nur bürokratisch nach dem formalen Abschluss einer Ausbildung zur Verkäuferin oder Einzelhandelskauffrau gesucht, sondern lebensnah die herausragende Bedeutung von Berufserfahrung im Einzelhandel berücksichtigt, dann wäre vielleicht aufgefallen, dass die angeblich ungelernten Kräfte bei Schlecker sehr wohl und oft bereits sehr lange eine qualifizierte Arbeit im Verkauf leisteten, die kaum an der Existenz eines Lehrbriefs gemessen und richtig bewertet werden kann.

Ein herausragendes Problem, dem sich der größte Teil des Rechenschaftsberichts widmet, scheint den hierfür befragten Vermittlungsfachkräften gewesen zu sein, dass das Grundprinzip der Statussicherung im Falle der ehemaligen Schlecker-Beschäftigten in Konkurrenz zu einer schnellen Arbeitsmarktintegration steht. Das soll wohl heißen: Leider kann den Erwerbslosen in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit bloß die Annahme von Stellen mit Löhnen von 20 Prozent, in den folgenden drei Monaten von 30 Prozent unter der bisherigen Bezahlung bei Schlecker und erst dann solche auf der Höhe des Arbeitslosengeldes zugemutet werden.

Die geniale Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis: Die von Schlecker gezahlten Tariflöhne waren im Vergleich zu ähnlichen, häufig als einfach eingestuften Tätigkeiten, recht hoch, so dass die ehemaligen Verkäuferinnen von Schlecker die unseriösen Angebote der Arbeitsagentur ohne weitere Rechtsfolgen ablehnen konnten. Das wird die Unternehmer des Einzelhandels freuen und in ihrer Absicht bestätigen, endlich diesem überzogenen Anspruchsdenken der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di durch eine dauerhafte Verschlechterung der Gehälter und Löhne sowie der manteltariflichen Leistungen einen Riegel der .Modernisierung vorschieben zu wollen.

Nicht ganz so plump wie der Dichter Johann Wolfgang von Goethe seinen Erlkönig. fordern lässt: .Und bist du nicht willig, so brauch. ich Gewalt, aber bestimmt genauso wirkungsvoll scheinen die Vermittlungsfachkräfte der Arbeitsagentur die Wünsche der Unternehmer schon vorauseilend in die Tat umgesetzt zu haben. Dafür war es notwendig, ja unumgänglich, dass die Schlecker-Arbeitslosen bei der Arbeitsuche Konzessionen (Zugeständnisse) eingehen mussten; das betraf die Bezahlung, den Tätigkeitsbereich und die Arbeitszeit. Zeigten sich die Betroffenen dazu bereit, war für die Arbeitsagentur eine wesentliche Erfolgsbedingung der Arbeitsvermittlung bereits erfüllt. Wenn nicht, sahen die Vermittler einen wichtigen Ansatzpunkt ihrer Arbeit darin, die Konzessionsbereitschaft zu steigern.

Ein hierbei eingeschlagener Weg war für die Arbeitsagentur, die Erwerbslosen systematisch zu überzeugen, dass von den freie Stellen anbietenden Unternehmen ein flexiblerer Arbeitseinsatz erwartet werde und die Entlohnung geringer ausfalle. Sie sollten aufhören, sich am vorherigen tariflichen Lohnniveau bei Schlecker von damals 13,52, heute 13,79 Euro für eine langjährige Verkäuferin zu orientieren und sich gegebenenfalls selbst um 8-Euro-Stellen mit anderen prügeln, da die Vermittlungschance wesentlich davon abhängig sei, diese Bedingungen zu akzeptieren.

Wenn solche Überzeugungstäter mit ihrem unternehmensnahen Latein am Ende sind oder den Umweg über eine derart schwierige Phase der Beratung gezielt abkürzen wollen, dann bleibt ihnen, nicht nur bei den Schlecker-Arbeitslosen, als gängiges Instrument: Druck erhöhen, also disziplinierende Elemente zur Verhaltenssteuerung. Da wurde in den untersuchten und beschriebenen Fällen der Einsicht der Betroffenen durch Hinweis auf den drohenden Übergang in die Grundsicherung (Hartz IV) und den damit verbundenen finanziellen Abstieg nachgeholfen.

Wer dann immer noch nicht verstand oder verstehen wollte, wie der .Hase. hierzulande aus der Arbeitslosenstatistik zu hoppeln hat, bei dem wurde vor allem mittels hoher Kontaktdichte, also häufigere Vorladungen zur Arbeitsagentur, die Kontrolle intensiviert und ihm damit die Chance gegeben, sich schneller zur Akzeptanz von Lohneinbußen zu bewegen. So sollen die selbstbewussten Schlecker-Frauen, die sich mutig und erfolgreich gegen die Unverschämtheiten und Niederträchtigkeiten der Führungskräfte von Anton Schlecker wehrten, jetzt von jedem dahergelaufenen Vermittler der Arbeitsagentur nicht nur zur Annahme jeglicher Arbeit genötigt, sondern gleichzeitig zu willenlosen Untertanen gemacht werden.

Angesichts eines derart offen skandalösen Verhaltens gegenüber Erwerbslosen, die jahre- oder sogar jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung einzahlten und damit auch die Stellen ihrer Peiniger in der Agentur für Arbeit mitfinanzierten, ist es nur folgerichtig, wenn der Bericht des IAB damit abschließt, den Stolz auf das eigene Desinteresse am wirklichen Leben der Arbeitslosen und die behördliche Arroganz durch folgende Aussage zu unterstreichen: Darüber, wie die Schlecker-Arbeitslosen selbst diese Situation wahrgenommen haben und mit ihr umgegangen sind, liegen keine wissenschaftlichen Befunde vor.

Text: Horst Gobrecht (ver.di Bezirk Südhessen, Fachbereich 12 Handel)
Foto: Gustl Ballin (Kundgebung der Schlecker-Mitarbeiter in Nürnberg 2012)

Der IAB-Kurzbericht 7/2013 'Qualifizierung und Flexibilität erhöhen die Chancen der Schlecker-Arbeitslosen auf einen neuen Job' kann hier nachgelesen werden

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
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