30.04.2013: Die Mitgliedsländer der linksgerichteten Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA) haben auf einer Sitzung in Guayaquil (Ecuador) in der vergangenen Woche beschlossen, ihre Wirtschafts- und Finanzintegration zu stärken. Das Treffen fand unter dem Titel 'Alternativen für die Länder des Südens' statt. Die Schaffung des Wirtschaftsraumes Eco-ALBA war einer der Hauptpunkte auf der Tagung. Regierungsdelegationen aus den Mitgliedsländern Antigua und Barbuda, Kuba, Bolivien, Nicaragua, Dominica, Ecuador, San Vicente und den Grenadinen sowie Venezuela legten dabei die Instrumente des neuen Mechanismus fest.
Unter anderem wird ein 'Komplementär-Rat' geschaffen, der die Ressourcen, die Produktion und die von jedem Mitgliedsland erzielte Vermarktung analysiert, um so die gegenseitige Ergänzung ihrer Binnenwirtschaften einschätzen zu können. Der venezolanische Außenminister Elías Jaua erklärte, der Rat werde sich das Thema der "Warenübersicht" vornehmen, um zu wissen, was jedes Land produziert und nicht das herzustellen, was die anderen bereits erzeugen. Es gehe darum "uns in jedem der Produktionsbereiche zu ergänzen und die Rohstoffe zur Verfügung zu stellen, die der andere braucht".
Jaua fügte hinzu, dass Venezuela im Juni die Präsidentschaft des Gemeinsamen Marktes Südamerikas (Mercosur) übernehmen und aus dieser Position heraus der Einheit von Eco-ALBA und Mercosur neue Impulse verleihen werde. "Das wird eine ganz natürliche Verbindung zwischen den beiden Wirtschaftsräumen sein, die den Süden des Kontinents mit der Karibik und Mittelamerika vereinen wird", hob der Minister hervor.
ALBA-Exekutivsekretär Rodolfo Sanz wies darauf hin, dass auf politischem und sozialem Gebiet große Fortschritte zu verzeichnen seien, aber nicht in gleichem Maße auf dem Gebiet der Wirtschaft, weshalb man Gefahr laufe, das auf den erstgenannten Gebieten Erreichte wieder zu verlieren. Die Mitgliedsländer seien verpflichtet, so Sanz weiter, alle Anstrengungen zu unternehmen, um der Staatengruppe eine solide Wirtschaftsgrundlage zu verleihen, was eben mit der Schaffung des Wirtschaftsraums Eco-ALBA verbunden sei. In diesem Wirtschaftsraum könne es transnationale Unternehmen auf den Gebieten des Gesundheitswesens, der Bildung sowie der agrarischen Nahrungsmittelproduktion geben – in Bereichen also, wo Potenzen vorhanden seien, um gemeinsame Probleme der verschiedenen Länder zu lösen.
Der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patiño betonte, dass dieser Wirtschaftszone angesichts der internationalen Instabilität und Ungewissheit eine grundlegende Bedeutung zukomme, denn bei ihr werde Wert auf eine solide Produktionsstruktur auf regionaler Ebene gelegt.
Man habe sich vorgenommen, solche Beziehungen auszubauen, die zu einer Stärkung der Produktionskapazitäten der Mitgliedsländer führen, sagte Francisco Racines, Koordinator des ALBA-Wirtschaftssekretariats. Dies werde durch eine gegenseitige wirtschaftliche Ergänzung ermöglicht, die weit über kommerzielle Aspekte hinausgeht und eine größere soziale Einbeziehung in den Ländern durch Schaffung von Arbeitsplätzen und Sicherung der Einkommen zum Ziel hat.
Die Tagungsteilnehmer berieten über Projekte gegenseitiger Ergänzung auf den Gebieten Produktion, Lebensmittelerzeugung, Tourismus, Industrie, Energiewesen, Handel, Finanzen und Technologie. Beschlossen wurde, die Ankäufe der öffentlichen Hand zwischen den Ländern voranzubringen, da dieser Bereich 17 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Region ausmacht. Einigkeit bestand auch darin, die ALBA-Bank voranzubringen und die Regionalwährung SUCRE zu stärken, die sich als sehr günstiges Instrument für Exporteure mehrerer Länder erwiesen hat. Der SUCRE hat die monetäre und finanzielle Unabhängigkeit und Souveränität der ALBA-Länder zum Ziel, indem bei den internationalen Handelsgeschäften auf den Gebrauch des US-Dollar verzichtet und dieser durch die virtuelle Währungseinheit ersetzt wird.
Angestrebt war auf dem ALBA-Treffen ebenfalls die Ausarbeitung eines Aktionsplanes zur Verteidigung der Interessen der Länder des Südens gegenüber transnationalen Konzernen, so die Organisatoren des ALBA-Treffens. Die geltenden internationalen Abkommen zum Investitionsschutz bewahrten einseitig die Interessen der transnationalen Konzerne. So gelten Umweltschutz, Arbeitsschutz und staatliche Regelungen, die den internationalen Wettbewerb einschränken, zurzeit als Investitionsschutzhemmnisse, die bestraft werden können.
In der Abschlusserklärung des ersten 'Ministertreffens der von den Interessen der Transnationalen betroffenen Länder Lateinamerikas', wird festgestellt, dass Einigkeit über die Ablehnung der bestehenden Verträge und Institutionen besteht. Beschlossen wurde eine Überprüfung der bestehenden Verträge und die Einrichtung einer regionalen Institution, die Lösungen für die Konflikte zwischen den Vertragspartnern sucht. Der Vorschlag soll bei der 'Union lateinamerikanischen Staaten' (UNASUR) eingebracht werden. Ziel sei es, dass andere Länder sich diesem Prozess anschließen. Auch soll eine Einrichtung geschaffen werden, die der gegenseitigen Hilfe und Beratung dient. Bei akuten Fällen planen die Beteiligten eine schnelle Informationsverbreitung.
In einem weiteren Schritt soll das Thema der Neuregulierung der Rechtsgrundlagen auf internationalen und lateinamerikanischen Foren eingebracht werden. Vorgesehen sind die Gruppe der 77 sowie die UNO und globale Handels- sowie Finanzinstitutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO). Der gesamte Prozess soll in institutionalisiertem Rahmen in Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen stattfinden. Die Vertreter der beobachtenden Länder bringen die gemeinsam erarbeitete Erklärung bei ihren jeweiligen Regierungen ein, die sie anschließend ratifizieren.
Teilnehmer waren Minister und ranghohe Regierungsmitglieder aus Venezuela, Nicaragua, Bolivien, San Vicente und Grenadinen, Kuba und Ecuador sowie Beobachter aus weiteren Ländern. Insgesamt beteiligten sich staatliche Vertreter aus 14 Ländern. Auch Fachleute und Vertreter sozialer Bewegungen nahmen an der Diskussion teil. Unter anderem sprachen Cecilia Olivet vom Transnational Institute und Koautorin einer Studie zu dem Thema, sowie Jorge Conorado, Verantwortlicher für die 'Lateinamerikanische Gruppe Schulden, Entwicklung und Recht' (LATINDADD) als Referenten.
Quelle und CR: Lateinamerikaportal amerika21.de