Internationales

alt19.07.2012:  Den politisch-militärischen Ziehvätern der Zerschlagung des Gaddafi-Regimes waren die kürzlichen Wahlen in Libyen - ähnlich wie die im Irak nach der Besatzung durch die USA - ein wichtiges Verschleierungsmanöver, um mit einem Wahl- und Parlamentszirkus nach westlichem Muster die Aufmerksamkeit von der Zerrissenheit des Landes abzulenken. Das mediale Schönreden und Hochjubeln des Ablaufs und der Ergebnisse gehörten  dazu. Und doch spiegelt das neue 'Parlament' bei genauem Hinsehen exakt den trostlosen Zustand des Landes wider.

102 Abgeordnete wurden gewählt, der westliche Agent Dschibril erreichte mit seiner Partei 39 Sitze, der Rest geht an Klein- und Kleinstparteien und an sogenannte Unabhängige. Letztere vertreten örtliche und regionale Partikularinteressen von Städten, Stämmen und Familienverbänden. Gruppen- oder Koalitionsbildungen werden sich dann nach dem gleichen Muster bilden und zerfallen, wie es in den realen gesellschaftlichen Beziehungen auch tagtäglich stattfindet. Nachstehend ein 'Blitzlicht' darauf von Dan Glazebrook:

Mit jedem Tag der vergeht, wird das Ausmaß der laufenden Tragödie in Libyen, verursacht von der NATO und ihren Alliierten, immer klarer – auf erschreckende Weise. Die geschätzte Zahl der Getöteten schwankt, doch 50.000 scheint im niedrigen Bereich zu liegen. Das britische Verteidigungsministerium prahlte schon im Mai 2011, dass der Angriff 35.000 Menschen getötet hätte, doch diese Zahl stieg ständig.

Die Vernichtung der staatlichen Streitkräfte durch einen von britischen, französischen und US-amerikanischen Streitkräften geführten Blitzkrieg hat das Land in einem Zustand totaler Anarchie hinterlassen – im schlimmsten buchstäblichen Sinn. Die früheren 'Rebellen' kämpfen nun gegeneinander, denn sie verband sonst nichts als eine vorübergehende Bereitschaft, als Fußsoldaten für die NATO zu agieren. In einer einzigen Woche in diesem Jahr wurden 147 von ihnen bei internen Kämpfen im Süden Libyens getötet.

Und in den vergangenen Wochen gerieten Regierungsgebäude – einschließlich die Räumlichkeiten des Premierministers – unter Beschuss von 'Rebellen', die für ihre Dienstleistungen Bargeld verlangten. Bisher wurden schon 1,4 Milliarden US-Dollar ausgezahlt – was erneut beweist, dass die Kräfte der NATO-Kolonisation und nicht Gaddafi von 'Söldnern' abhängig waren – doch die Zahlungen wurden letzten Monat aufgrund weitverbreiteter Vetternwirtschaft ausgesetzt. Die Korruption wird langsam endemisch – ein zusätzlicher Betrag von 2,5 Milliarden US-Dollar an Öleinnahmen, der an das Finanzministerium hätte überwiesen werden sollen, bleibt verschwunden.

Libyens Ressourcen werden nun von den Ölkonzernen und einer Handvoll auserwählter Familien aus der neuen Elite des Landes geplündert, ein klassisches neokoloniales Ränkespiel. Der Einsatz dieser Ressourcen in gigantischen Infrastrukturprojekten wie der große menschengemachte Fluss (Great Manmade River) und die massive Anhebung der Lebensstandards in den letzten vier Jahrzehnten (seit Gaddafis Machtübernahme 1969 stieg die Lebenserwartung in Libyen von 51 auf 77 Jahre) scheinen traurigerweise bereits der Vergangenheit anzugehören.

Doch wehe dem, der dies jetzt erwähnt. Es wurde vor langem beschlossen, dass Unterstützer Gaddafis bei der Wahl nicht als Kandidaten antreten durften, doch die jüngsten Änderungen gehen sogar noch weiter. Die neue, von der NATO eingesetzte Regierung verabschiedete letzten Monat das Gesetz 37. Damit wurde die "Glorifizierung" der früheren Regierung oder ihres Führers strafbar gemacht und darauf steht die Höchststrafe: Lebenslänglich. Schließt dies auch eine beiläufige Bemerkung ein, dass die Dinge unter Gaddafi besser waren? Das Gesetz wurde schlauerweise so vage formuliert, dass es unterschiedlich ausgelegt werden kann. Es ist ein Rezept für institutionalisierte politische Verfolgung.

Sogar noch bezeichnender für die Verachtung, die die neue Regierung dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entgegenbringt – man erinnere sich: eine Regierung, die noch nicht einmal den Anschein demokratischer Legitimität erworben hat, und deren einzige Machtbasis die bewaffneten Kolonialmächte bilden – ist Gesetz 38. Dieses Gesetz garantiert nun rechtliche Immunität für alle, die "zwecks der Förderung oder des Schutzes der Revolution" Verbrechen begangen haben. Diejenigen, die für die ethnische Säuberung Tawerghas verantwortlich sind – wie die selbsternannte 'Brigade für die Eliminierung der Schwarzen' – können ihre Jagd auf die Flüchtlinge der Stadt fortsetzen, im vollen Bewusstsein, dass sie das neue 'Gesetz' auf ihrer Seite wissen. Diejenigen, die für die Massaker in Sirte und andernorts verantwortlich sind, haben nichts zu befürchten. Diejenigen, die beim weitverbreiteten Foltern von Inhaftierten mitmachen, können ohne Konsequenzen weitermachen – solange es dem "Schutz der Revolution" dient – d. h. der Aufrechterhaltung der aus der NATO und dem Nationalen Übergangsrat bestehenden Diktatur.

Das ist die Realität des neuen Libyens: Bürgerkrieg, verschwendete Ressourcen und gesellschaftlicher Zusammenbruch; zu sagen, dass man die Tage lieber mochte, in denen es Libyen gut ging und Frieden herrschte, ist ein Verbrechen, doch Lynchmorde und Folter werden erlaubt, ja sogar gefördert.

Überdies ist die Katastrophe nicht auf Libyen beschränkt geblieben. Die Destabilisierungskampagne hat bereits Mali erreicht und dort einen Staatsstreich ausgelöst. Eine große Zahl von Flüchtlingen – darunter vor allem Libyens zahlreiche schwarze Migranten – ist in die Nachbarländer geflohen, in einem verzweifelten Versuch, Luftangriffen und Lynchmobs zu entkommen, was die Ressourcensituation andernorts noch weiter verschärft. Viele libysche Kämpfer, nach getaner Arbeit in Libyen, sind nun von ihren imperialistischen Herren nach Syrien verschifft worden, um ihre sektiererische Gewalt dort zu verbreiten.

Am besorgniserregendsten für den afrikanischen Kontinent ist aber das Voranschreiten von AFRICOM – das Einsatzkommando des US-Militärs für Afrika – im Zuge der Aggression gegen Libyen. Es ist kein Zufall, dass nach dem Fall von Tripolis kaum ein Monat verging – es war derselbe Monat, in dem Gaddafi ermordet wurde: Oktober 2011 -, als die US-Regierung die Entsendung von Soldaten in nicht weniger als vier afrikanische Länder ankündigte: die Zentralafrikanische Republik, Uganda, Südsudan und die Demokratische Republik Kongo. AFRICOM hat eine beispiellose Zahl von 14 wichtigen gemeinsamen Militärübungen in afrikanischen Ländern für 2012 angekündigt.

Nichts von alledem ware möglich gewesen, als Gaddafi noch an der Macht war. Als Gründer der Afrikanischen Union, ihr größter Geldgeber und ehemaliger gewählter Vorsitzender übte er erheblichen Einfluss auf dem Kontinent aus. Es war zum Teil ihm zu verdanken, dass die US-Regierung gezwungen war, das Hauptquartier von AFRICOM bei seiner Gründung im Februar 2008 in Stuttgart anzusiedeln, statt in Afrika selbst: er bot afrikanischen Regierungen, die die Errichtung eines US-Militärstützpunktes ablehnten, Geld und Investitionen. Unter seiner Führung besaß Libyen schätzungsweise 150 Milliarden US-Dollar an Investitionen in Afrika und der Vorschlag Libyens, finanziell unterstützt mit 30 Millarden US-Dollar in bar, eine Entwicklungsbank der Afrikanischen Union einzurichten, hätte die finanzielle Abhängigkeit Afrikas vom Westen ernsthaft reduziert. Kurzum: Gaddafis Libyen stellte für AFRICOM das größte Hindernis für die Durchdringung des Kontinents dar.

Nun, da er weg ist, intensiviert AFRICOM seine Arbeit. Die Invasionen in Irak und Afghanistan zeigten dem Westen, dass Kriege, in denen ihre eigenen Bürger sterben, unbeliebt sind. AFRICOM wurde geschaffen, um sicherzustellen, dass in den kommenden Kolonialkriegen gegen Afrika Afrikaner das Kämpfen und Sterben erledigen und nicht Bürger aus den westlichen Ländern. Die Kräfte der Afrikanischen Union sollen unter einer US-geführten Weisungskette in AFRICOM integriert werden. Gaddafi hätte das nie toleriert; deshalb musste er gehen.

Für die Vision eines 'Afrikas unter der Führung von AFRICOM' muss man daher nicht weiter blicken als nach Libyen, dem afrikanischen Modellstaat der NATO: verurteilt zu jahrzehntelanger Gewalt und Trauma, und völlig unfähig, sein eigenes Volk zu versorgen, geschweige denn einen Beitrag zu regionaler oder afrikanischer Unabhängigkeit zu leisten. Der neue militärische Kolonialismus in Afrika darf nicht einen Zentimeter weiter voranschreiten.

Text/Quelle: Pambazuka, TLAXCALA /  Foto: Roberto Schmidt

 

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

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Meeting-ID: 820 6472 0080


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Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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