Internationales

Egypt_Mohamed_Morsi_Jonathan_Rashad_25.06.2012: Eine ganze Woche hat die ägyptische Wahlkommission gebraucht, bis sie am vergangenen Sonntag endlich bekannt gab, dass der Islamist Mohammed Mursi die Stichwahl um das Präsidentenamt am 16./17. Juni mit 51,7 Prozent knapp gewonnen habe. Vor der Bekanntgabe waren gepanzerte Militärfahrzeuge vor der Wahlkommission und verschiedenen Regierungsgebäuden aufgefahren, um Proteste gegen dieses Ergebnis im Keim zu ersticken. Bereits Ende letzter Woche hatte es in Kairo Anzeichen gegeben, dass sich die Generäle und die Islamisten auf einen Kompromiss über eine Teilung der Macht einigen könnten. Beide Seiten bestätigten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass es in den Tagen nach der Stichwahl vertrauliche Treffen zwischen ihnen gegeben hat.

Die Wahlkommission hatte die Verzögerung bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses damit begründet, dass sie für die Prüfung der rund 400 von beiden Seiten eingelegten Einsprüche wegen Wahlfälschungen mehr Zeit brauche. In mehr als 100 Wahllokalen waren Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, darunter die Anlieferung von Paketen mit Stimmzetteln in Wahllokale, die bereits eine Kennzeichnung für den Islamisten Mursi enthielten. In einigen Wahllokalen war die Zahl der gemeldeten abgegebenen Stimmen höher als die dort registrierte Wählerzahl.

Offensichtlich hatte es in den Tagen vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses eine Art Machtgerangel zwischen Armeeführung und Islamisten gegeben, bevor Mursi offiziell zum Sieger erklärt wurde. Die Moslem-Bruderschaft hatte aus Protest gegen das, was als „latenter Staatsstreich der Militärs“ bezeichnet wurde, zur erneuten Besetzung des Tahrir-Platz in Kairo aufgerufen, gleichzeitig aber die geheimgehaltenen Gespräche mit den Generälen begonnen. Die nichtreligiösen Kräfte der ägyptischen Protestbewegung nahmen an der neuen Tahrir-Aktion nicht teil.

Der „latente Staatsstreich“ hatte bereits zwei Tage vor der Stichwahl begonnen. Der „Oberste Rat der bewaffneten Streitkräfte“ hatte in einer als „Verfassungsergänzung“ bezeichneten Erklärung am 14. Juni die im Dezember abgehaltene Parlamentswahl für ungültig und das im Dezember gewählte Parlament mit seiner starken islamistischen Mehrheit für aufgelöst erklärt. Gleichzeitig verkündete der Militärrat, dass er bis zur Wahl eines neuen Parlaments die gesetzgeberische Macht im Land übernehme. Ferner wurde in dem Text erklärt, dass die Armeeführung „die volle Kontrolle über die internen Angelegenheiten der Armee ausübt“, einschließlich der Ernennung und Entlassung von Militärpersonen und des Verteidigungsbudgets. Sie will sich also von niemandem in diese Bereiche und das umfangreiche Wirtschaftsimperium der Armee hineinreden lassen. Damit ist der gewählte Staatspräsident auch nicht mehr wie bisher der Oberste Befehlshaber der Armee.

De facto beansprucht der Militärrat damit weiterhin die letzte Entscheidungsbefugnis, ganz gleich, wer Präsident ist und wie die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind. Präsident und Regierung sind letztlich den Entscheidungen der Generäle untergeordnet und deren Ausführungsorgane. In den internen Verhandlungen mit der Armeeführung hatten die Islamisten offenbar versucht, diese Machtverteilung zu ihren Gunsten etwas zu verschieben. Ob sie dabei etwas erreicht haben, ist derzeit unbekannt. Jedenfalls ließ sich Mursi nun zum Staatspräsidenten ausrufen, ohne dass die Militärs ihre „Verfassungsergänzung“ offiziell zurückgenommen oder abgeschwächt hätten. Einen großen Konflikt oder gar einen neuen Aufstand gegen die Generäle haben die Moslembrüder nicht gewagt.

Auf der Strecke bleiben bei diesem Machtgerangel auf jeden Fall die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung und die ursprünglichen sozialen und demokratischen Anliegen der ägyptischen Revolution, für die das Volk im Januar letzten Jahres auf die Straße gegangen war. Ein großer Teil der ägyptischen Linken hatte bei der Stichwahl, vor die Alternative zwischen dem Islamisten Mursi und dem Ex-Mubarak-Regierungschef und Luftwaffengeneral Shafik gestellt, zum Wahlboykott aufgerufen. Nun soll die Wahlbeteiligung laut Wahlkommission allerdings bei 51 Prozent gelegen haben, obwohl sie im ersten Wahlgang nur auf 45 % gekommen war und viele Beobachter vermeldet hatten, dass sie bei der Stichwahl noch niedriger lag.

Jedenfalls hatte sich offenbar fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler von keinem der beiden übrig gebliebenen Kandidaten vertreten gesehen. Hierin zeigt sich die große Kluft zwischen dem Machtgerangel der verschiedenen Fraktionen der ägyptischen Bourgeoisie, die von den Führern der Islamisten, den Generalen und einigen nicht-islamistischen großbürgerlichen Politikern verkörpert werden, und großen Teilen der Bevölkerung. Die Möglichkeit, dass sich aus dieser „Ablehnungsfront“ gegen Militärs und Islamisten nach der Inthronisierung Mursis eine breite Allianz demokratischer und linker Kräfte entwickelt, die dem „Kompromiss“ zwischen Generälen und Mullahs Paroli bietet und weiter für die ursprünglichen Ziele der ägyptischen Revolution kämpft, ist damit noch nicht verschüttet.

Text: Dirk Grobe      Foto: Jonathan Rashad

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